Schon Margarethe seufzte: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“ Das ließ Goethe seine Figur im ersten Teil des „Faust“ vor sich hin sagen. In der Tat gibt es keinen anderen Stoff, für den so viele Menschen über so lange Zeit hinweg so große Risiken auf sich zu nehmen bereit waren. Ganze Reiche stiegen auf und gingen wieder unter, weil sie über das glänzende, relativ weiche Metall verfügten.
Warum Gold fasziniert, untersucht in einer bemerkenswert konzentrierten Form der Tübinger Historiker Bernd-Stefan Grewe („Gold. Eine Weltgeschichte“. C. H. Beck). In der Weltgeschichte wurden bisher etwa 190.000 Tonnen Gold gefördert, was einem massiven Würfel mit einer Kantenlänge von gut 21,4 Meter entspricht – dem Volumen eines mittelgroßen Mehrfamilienhauses also.
Der größte Teil dieses jemals gewonnenen Goldes ist bis heute existent: als Barren in den Tresoren von Zentralbanken, in Gebissen und als Preziosen in Museen. Im Gegensatz zu Eisen ist Gold chemisch beständig und korrodiert nicht.
Und dann gibt es natürlich noch Gold als private Wertanlage. Fast 9000 Tonnen im Wert von mehr als 320 Milliarden Euro befinden sich laut einer Studie von Anfang 2019 in den Händen von insgesamt etwa 26 Millionen deutschen Privatleuten. Davon sind 4925 Tonnen Barren und Münzen; neun von zehn Anlegern sollen der Umfrage zufolge mit dieser Investition zufrieden sein, und fast vier von fünf wollen ihren Bestand sogar ausbauen.
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Aber ist Gold wirklich eine gute Geldanlage? Wer nur auf die Entwicklung des Goldkurses schaut, könnte das meinen. Im Jahr 1900 kostete die Feinunze Gold im Durchschnitt 18,96 Dollar, genau 100 Jahre später 279,11 Dollar und aktuell 1287,17 Dollar. Rechnerisch eine gewaltige Steigerung von 6700 Prozent.
Wer daran glaubt und sich mit Geldanlagen in Gold wohlfühlt, kann und darf das tun. Wem der schöne Schein allerdings nicht genügt, der wird beim Blick hinter die glänzende Kulisse der Goldwirtschaft Zweifel entwickeln.
Im Jahr 1900 betrug das durchschnittliche Jahresentgelt in Deutschland nach den Kriterien des Bundessozialministeriums 796 Mark. Da die Währung des Deutschen Reiches seinerzeit auf dem Goldstandard beruhte und eine Mark einen Goldgehalt von 0,358423 Gramm hatte, entsprach dies 285,3 Gramm reinem Gold.
Da der Dollar zur Mark einen relativ stabilen Wechselkurs von 4,19 hatte, kostete Gold dies- und jenseits des Atlantik fast genau das Gleiche. Vom Jahresdurchschnittsgehalt konnte man sich, anders ausgedrückt, etwas mehr als neun Feinunzen von jeweils 31,1 Gramm Gold leisten.
Bis 1930 blieb der Goldpreis ziemlich stabil; den Höchstwert erreichte er um 1920 mit 20,68 Dollar pro Feinunze. Erst infolge der Weltwirtschaftskrise änderte sich das, denn der Kaufpreis für Gold stieg um 50 Prozent auf 33,88 Dollar pro Unze Feingold im Jahr 1940. Allerdings war der Privatbesitz von Gold nun, sowohl im nationalsozialistischen Deutschland wie in den USA, starken Beschränkungen unterworfen.
Wer trotzdem vor dem Zweiten Weltkrieg einen Weg fand, mit der international nicht mehr frei handelbaren Reichsmark Gold zu kaufen, musste dafür bei einem Dollarkurs von 4,20 Reichsmark pro Feinunze gut 130 Reichsmark investieren. Von dem auf etwa 2000 Reichsmark gestiegenen jährlichen Durchschnittsentgelt hätte man nun knapp 16 Unzen Gold erwerben können.
Setzt man diese Betrachtung fort, so zeigt sich: 1965 konnte man bei einem Kurs Dollar zu DM von 1 zu 4 und einem Goldpreis von 35,27 Dollar pro Unze von einem Jahresdurchschnittsentgelt von 9229 DM in Westdeutschland knapp 66 Unzen Gold kaufen.
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Nach der Lösung des Dollars vom Goldstandard 1970 stieg der Preis pro Unze 1975 auf 160,86 Dollar. Bei einem gemittelten Wechselkurs von 2,46 DM pro Dollar entsprach damit das Durchschnittsentgelt von 21.808 DM in Westdeutschland nur noch 55 Unzen.
Fünf Jahre später, auf dem Höhepunkt der ersten Spekulationswelle am 21. Januar 1980, stieg der Goldpreis bis auf 850 Dollar pro Feinunze – bei einem gleichzeitigen Dollarkurs von 1,73 DM reichte ein durchschnittliches Jahresentgelt von 29.485 DM auf einmal nur noch für 20 Unzen.
Wer Anfang 1980 in Gold investierte, machte ein extrem schlechtes Geschäft, denn erst im November 2007, fast 28 Jahre später, erreichte der Goldpreis wieder annähernd den Wert von Januar 1980. Da man jedoch gleichzeitig für einen Dollar gerade einmal 68 Eurocent bekam, kostete eine Unze nun Gold nun 572 Euro. Man hätte also für das im Januar 1980 gekaufte Gold nur noch 11.440 Euro erlöst – schon rein nominell ein Verlust von einem Drittel.
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Umgekehrt konnte man mit dem Durchschnittsjahresentgelt 2007 in Deutschland, genau 29.951 Euro, nun 52 Feinunzen Gold erwerben – weniger als 1975. Ende Mai 2019 übrigens wären es bei einem Goldpreis von 1287 Dollar, einem Dollar-Euro-Kurs von 0,89 und dem Jahresdurchschnittseinkommen von etwa 38.000 Euro etwa 33 Unzen.
Diese Vergleiche, bei denen man wegen der gemeinsamen Grundlage des amtlich ermittelten Durchschnittsjahresentgeltes die schwierig zu ermittelnde Kaufkraftrelation außen vor lassen kann, zeigen: Als langfristige und einigermaßen sichere Anlage taugt Gold überhaupt nicht. Denn es wirft prinzipbedingt keinerlei Dividenden oder Zinsen ab, während man gleichzeitig extrem abhängig ist von zwei stark schwankenden Kursen: Dollar pro Feinunze Gold sowie Dollar pro DM (bis 2002) oder Euro (seit 2003).
Wer etwa 1975 ein Jahresdurchschnittsentgelt von 21.808 DM in Gold investierte, könnte beim Verkauf heute einen Ertrag von etwa 40 Prozent erzielen. Wer dagegen die gleiche Summe zur gleichen Zeit entsprechend dem deutschen Aktienindex in Wertpapiere steckte, verfügt 44 Jahre später nicht nur über ein Anlagevermögen von etwa 270.000 Euro, also sieben Jahresdurchschnittsentgelte, sondern hat auch über die Jahrzehnte hinweg hohe Dividendenzahlungen erhalten.
Nur wer sehr spekulativ agiert und dazu noch Glück hat, kann im Vergleich zur Entwicklung des Durchschnittsentgeltes mit Gold tatsächlich Geld verdienen. Und diese Rechnung bezieht noch nicht die Aufschläge beim Kauf und die Abschläge beim Verkauf ein, die Goldhändler verlangen müssen, um selbst etwas zu verdienen. Dass Gewinne aus dem Goldhandel steuerfrei sind, sofern die Barren oder Münzen mindestens ein Jahr gehalten wurde, ist da nur ein ungenügender Trost. In Wirklichkeit ist Gold keine gute, sondern eine miserable Geldanlage.
Trotzdem, so schreibt Bernd-Stefan Grewe in seinem instruktiven Büchlein zutreffend, „vertrauen die meisten Menschen der Beständigkeit des Goldes und sehen darin eine dauerhafte Wertanlage – allen Schwankungen zum Trotz“. Wirtschaftshistorisch kann man diese Sichtweise allerdings nicht begründen.
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Author: Joshua Rodriguez
Last Updated: 1703634242
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